Besuch bei Zeiss

25. Juni 2023

Schnittmodelle eines Zooms und einer Festbrennweite aus der aktuellen Baureihe von Zeiss.

Mitte Juni besuchte der BVK mit einer 10 köpfigen Mitgliedergruppe das Zeiss Stammwerk in Oberkochen. Auf dem Programm stand eine Führung durch die Montageabteilung für Cineobjektive, eine Diskussionsrunde mit den Entwicklern und ein Besuch des Zeiss Museums.

Zeiss baut seit über 130 Jahren Objektive, ganz früh auch schon explizit für Filmkameras. Der aktuellste Objektivsatz sind die Vollformat Supreme Primes mit 14 Brennweiten von 15mm bis 200mm. Die digitale Filmtechnik mit hochauflösenden Sensoren und ihren `scharfen Bildern` hat hinsichtlich der erforderlichen Objektive zu einem Umdenken geführt. Objektive müssen nach dem Wunsch vieler DoPs nicht mehr ein Maximum an Auflösung und Schärfe erreichen sondern sollen den Bildern schon beim Entstehen einen meist individuell bestimmten Look geben, der durch die besondere Charakteristik des Linsensystems geprägt wird und nicht nachträglich in der Postproduktion hergestellt werden kann. Zu den besonderen Charakteristika gehören Lichtreflexionen im Linsensystem bis hin zu Geisterbildern, Schärfenabfall zum Rand hin und andere optische Fehler, die sich oft in Vintage Objektivsätzen finden und deren Beliebtheit fördern.

Bei Zeiss hat man sich Gedanken gemacht, wie man den Wünschen der DoPs entgegenkommen kann und so wurde schon vor längerer Zeit der Supreme Prime Radiance Satz mit 11 Brennweiten entwickelt. Optisch sind die Supreme Prime Sätze identisch nur die Vergütung einzelner Linsenflächen ist unterschiedlich. Bei bis zu 20 Glaselementen ist es entscheidend, an welcher Fläche Reflexionen entstehen und wie sie sich im Bild bemerkbar machen. Und weil es so viele Möglichkeiten gibt wurde für  820 virtuelle Prototypen im Computer der Strahlengang simuliert, mit 450 000 CPU Stunden Rechenzeit. Schließlich wurden 36 Prototypen gebaut.

Simmulation des Strahlengangs durch ein Objektiv, Foto: Zeiss

Alle Zeiss Cine Objektive werden im Stammwerk Oberkochen in Handarbeit montiert. Es findet keine Los-Fertigung statt sondern jedes Objektiv wird von Anfang bis Ende am Stück hergestellt, wobei die Montagezeit zwischen zwei und achtzehn Stunden liegen kann, je nach Komplexität. Bei den Master und Supreme Primes werden die Objektive individuell auf der optischen Bank vermessen und die Entfernungsskalen entsprechend Laser graviert. Die Montage findet im Reinraum in einem speziell von Zeiss entwickelten Fertigungsparkur statt. Der jeweilige Mitarbeiter legt dabei mit dem Objektiv einen günstig angeordneten Weg zurück. Die Materialbestückung der einzelnen Stationen findet durch andere Mitarbeiter von der anderen Seite statt, so dass man sich nicht ins Gehege kommt. Die Reinräume sind abgedunkelt und die Montagestationen speziell beleuchtet, damit die Mitarbeiter alle Teile und Linsenflächen gut und streulichtfrei begutachten können. Ist ein Objektiv zusammengesetzt muss das optische System vor dem endgültigen Einbau ins Gehäuse justiert und optimal abgeglichen werden. Die dafür notwenige Messtechnik stammt natürlich von Zeiss und ist individuell auf das Produkt ausgerichtet.

Führung durch die Fertigung mit Vertriebsleiter Cinema Products, Christophe Casenave

Bei der anschließenden Diskussionsrunde mit den Objektiventwicklern stand natürlich die Frage nach den Wünschen der DoPs im Raum. Um den Look von Objektiven zu beeinflussen haben in den letzten Jahren die Hersteller verschiedene Wege beschritten und entsprechende Angebote gemacht. So kann man Frontlinsen gegen nicht vergütete austauschen, rückwärtige Filtergläser aufschrauben, das Blendenmodul wechseln oder zusätzliche optische Elemente in den Strahlengang bringen. Das ist natürlich nicht ohne entsprechenden Aufwand zu bewerkstelligen und braucht eigentlich einen versierten Techniker.

Diskussion mit den Entwicklern, v.l.n.r. Thomas Merker und Martin Bethge beide BVK und Zeiss Entwickler Johannes Zellner.

Der Wunsch an Zeiss aus der Runde: kann man ein variables Element in das Objektiv einbringen, mit dem sich die Charakteristik stufenweise verändern lässt, ohne dass ein Umbau erforderlich ist.

Auch kam die Frage nach den verschiedenen Glassorten auf. Das Angebot ist ähnlich wie vor 50 Jahren, ab und zu kündigt ein Glashersteller bestimmte Glassorten auf, weil sich die Produktion nicht mehr lohnt, aber all das passiert heute mit entsprechendem Vorlauf und ermöglicht einen Wechsel.

Heute verwenden alle Hersteller komplexe Computerprogramme für das Objektivdesign, und die gibt es am freien Markt zu kaufen. Zeiss verwendet ein eigenes Programm in das auch die neusten Forschungen einfließen, und weil die Firma Weltmarktführer bei optischen Systemen zur Halbleiteraufbelichtung ist, fällt einiges aus der Erfahrung dieses Milliardengeschäfts auch für die Alltagsobjektive der Kinematografie ab.

Das Zeiss Planar 0,7 / 50mm von Stanley Kubrick.

Im Zeiss Museum konnte man schließlich das bekannteste Filmobjektiv besichtigen, das Zeiss Planar 0,7/50mm. Zeiss hat 10 Stück davon für einen Auftrag der NASA hergestellt und Stanley Kubik hat drei davon für den Film Barry Lyndon erworben und die berühmten Kerzenlichtszenen gedreht. Und weil die extreme Lichtstärke immer noch nicht ganz reichte, hat man Kerzen mit einem dreifachgedrehten Docht hergestellt, die heller aber auch schneller abbrannten. Eines der Exemplare kann man nun als Leihgabe in der Ausstellung bestaunen.

Führung durchs Museum, im Bild ein älteres Objektiv für die Halbleiterherstellung. Inzwischen ist die Technologie schon mehrere Generationen weiter.

Und noch eines gaben die Zeiss Entwickler den anwesenden DoPs mit auf den Weg. Ein Objektiv ist ein genau justiertes System. Knallt man es ohne große Kraftanstrengung auf eine Tischplatte, ein Vorgang bei dem weder Objektiv noch Platte nachgeben, dann wirken Kräfte von 30-40g auf das Ganze. Ein Objektiv sollte man wie ein rohes Ei behandeln, wenn man die Qualität herausholen will die in ihm steckt.

BVK Mitglieder aus Berlin, Hamburg,  München und anderen Stätten vor einem älteren Zeiss Planetariums Projektor.

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